Gleich hinter dem Stendaler Rathaus recken sich die gotischen Türme von Sankt Marien eindrucksvoll in die Höhe. Sie überragen die des Stendaler Domes und zeugen somit noch heute vom Selbstbewußtsein der reichen Stendaler Bürgerschaft, die die dreischiffige Hallenkirche nach dem Vorbild des Doms von Verden an der Aller erbauen ließ.
Für die Ausstattung des 1447 geweihten Sakralbaus war ihnen das Beste gerade gut genug. Im Denkmalführer "Dehio" wird der wohl ausgewogene monumentale Innenraum der Stendaler Marienkirche sogar als eine der eindrucksvollsten städtischen Hallen im Backsteingebiet bezeichnet.
Blickfang ist eine Chorschranke aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Ihre Apostelfiguren sind jedoch deutlich älter. Sie stammen aus dem 13. Jahrhundert. Hinter der Chorschranke verzaubert der prächtige spätgotische, reich vergoldete doppelflügelige Schnitzaltar den Besucher. Ein unbekannter Meister hat hier Szenen aus dem Marienleben dargestellt. In den Flügeln ist es die Passion Christi.
Die älteste Stendaler Stadtansicht, mit einer Silhouette wie wir sie noch heute erkennen, ist an der Kanzel zu entdecken - in Form der Weltkugel in der Hand Jesu Christi.
Auch die Orgel ist eine Rarität. Kein Geringerer als Hans Scherer der Ältere hat sie 1580 geschaffen. Ein Drittel ihrer Orgelpfeifen ist noch im Original vorhanden.
Einmalig, zumindest im ostdeutschen Binnenland, ist zudem eine astronomische Uhr, wie sie sonst vorwiegend nur in Küstenstädten der Hanse anzutreffen ist. Dass sie heute wieder funktioniert, ist dem Stendaler Uhrmachermeister Roewer zu verdanken.
Lange Zeit unterbewertet, auch weil nicht funktionstüchtig, war das mittelalterliche Geläut der Marienkirche. Dabei hatten die Stendaler Bürger für den Glockenguß den schon zu Lebzeiten berühmtesten Glockengießer seiner Zeit, den Holländer Gerdt van Wou, verpflichtet. Er schuf mit der Maria und der Anna Ende des 15. Jahrhunderts den Grundstock für ein Großgeläut, das heute in Norddeutschland seinesgleichen sucht.
Christoph Grassmayr, Inhaber der ältesten noch arbeitenden Glockengießerei Europas (über 500 Jahre), bewertet das Mariengeläut nach den Geläuten des Erfurter Doms und des Doms zu Utrecht sogar als drittharmonischstes in ganz Europa.